Dienstag, 23. April 2024

Soziale Blähungen


Der Investigativjournalist Jörg Pilawa hat jetzt ein mutiges Experiment an sich selbst vollzogen: Wie lebt es sich eigentlich so von diesem Bürgergeld? Dazu hat er eine Woche lang von 137 Euro gelebt, dem anteiligen Bürgergeld-Regelsatz. Man sollte fairerweise erwähnen, dass sein Resumee nicht in etwa lautete: Na ja, ist schon hart, auf einmal jeden Euro umdrehen zu müssen, wenn man das nicht gewohnt ist (so wie ich). Aber geht schon irgendwie, wenn man sich ein wenig am Riemen reißt und auch mal einfach nur Pellkartoffeln mit Quark isst. Nein, Pilawa gab offen zu, die Härten unterschätzt und sich für seine Vorurteile geschämt zu haben. Das ist zweifellos honorig, aber auch ein wenig dünne.

Sonntag, 21. April 2024

Prioritäten und andere Heucheleien


Immer, wenn es heißt, etwas geschehe nur zum Schutz der Kinder, ist höchstwahrscheinlich Heuchelei im Spiel. In Bayern versucht die Verbotspartei CSU gerade, die teilweise Cannabis-Legalisierung zu torpedieren. Weil: Kinderschutz. Die Kinder! Denkt denn niemand an die Kinder??? Dieselben aber, die sich da so heldenhaft für den Schutz von Kindern vor einer ganz schlimmen Droge ins Zeug legen, propagieren den massenhaften Konsum von alkoholischen Getränken als großes Kulturgut. Und wenn exakt die Leute, die beim Thema Cannabis nur das Kindeswohl im Sinn haben, die Einführung einer Kindergrundsicherung verhindern, dann ist das Wohl der Kinder scheinbar doch nicht so wichtig. Man muss eben Prioritäten setzen.

Mittwoch, 17. April 2024

Django in Duisburg

 
Nach wie vor ist der von Götz George gespielte Kommissar Horst Schimanski der bei weitem beliebteste 'Tatort'-Ermittler. Ungefähr während meiner Adoleszenz, von 1981 bis 1992, ging er in Duisburg auf Verbrecherjagd. Wir fieberten damals immer jeder neuen Folge entgegen und am Montag auf dem Schulhof wurde das Gesehene gründlich aufgearbeitet. In der wohlgeordneten Beamtenwelt des 'Tatort' gab es plötzlich einen klassischen Hard Boiled Detective. Gebrochener Typ mit kaputtem Privatleben, einst selbst auf dem Weg in eine Verbrechenerkarriere, der ein Problem mit Autoritäten und Dienstvorschriften hatte, soff und andauernd "Scheiße!" sagte. Was sich nicht gehörte. Das hatte es in einer deutschen Produktion so noch nicht gegeben. Ein echter Tabubruch.

Sonntag, 14. April 2024

Ronny des Monats - April 2024

 
Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wieso vor allem die bürgerlichen Medien auf die Idee kommen können, das 'Duell' zwischen Mario Vogt (CDU) und BjörnBernd Höcke (AfD) allen Ernstes als 'Erfolg' für ersteren zu verkaufen. (Voigt brüstete sich während des 'Duells' übrigens damit, Flüchtlinge härter zu drangsalieren als ein AfD-Landrat, just sayin'.) Sie tappen damit, wie weite Teile des bürgerlich/konservativen Lagers, in die Falle, die AfD für einen regulären politischen Gegner zu halten, der sich im gleichen politischen Koordinatensystem bewegt wie sie selbst. Dieser Fehler wurde vor knapp 100 Jahren schon einmal begangen. Man kann also daraus lernen, wenn man nur möchte.

Donnerstag, 11. April 2024

Vermischtes und Zeugs (LXXXI)


Angenommen, Sie wohnen in Bayern, zum Beispiel in Aschheim, und Sie kämpfen seit Jahren vergeblich für einen Spielplatz am Ort. Neuerdings gibt es da einen genialen Life Hack: Einfach einen Cannabis-Club eröffnen bzw. die Eröffnung eines Cannabis-Clubs beantragen, und Sie können gar nicht so schnell gucken wie Sie auf einmal einen Spielplatz vor der Tür haben. Weil: Die Kinder!! Denkt denn niemand an die Kinder?!

Montag, 8. April 2024

Wahre Worte (74)


Heute: Andreas Bock über die Dauerklage von den fehlenden 'Echten Typen' im Fußball

"Alle paar Wochen jammert irgendein Ex-Profi, dass die echten Typen im Fußball aussterben. [...] Ihre Erzählung ist immer die gleiche: Früher, als sie gespielt haben, wäre das, was heute passiert, niemals möglich gewesen. Früher hätte man sich dies oder jenes nicht gefallen lassen. Denn früher da gab's ja Echtetypen, also sie selbst, und weil's die heute nicht mehr gibt, läuft es nicht nur beim FC Bayern, sondern auch in der Nationalmannschaft und eigentlich überall in der Gesellschaft beschissen. [...]

Freitag, 5. April 2024

Pöhlen im Pott


Als Ulrich Borsdorf, damals Direktor des Essener Ruhrlandmuseums und Dozent an der dortigen Uni, Anfang der Neunziger vorschlug, die 1986 stillgelegte Zeche Zollverein (genauer gesagt, die Schachtanlagen 1/2/8 und XII) zum Industriedenkmal zu machen, archäologisch zu erschließen und das Ruhrlandmuseum von Rüttenscheid in die entsprechend umzubauende Kohlenwäsche von Schacht XII unterzubringen, waren die Reaktionen eher weniger euphorisch. Mehr so gemischt. Wie soll dattenn gehen? Spinnerei! Und überhaupt. Auch wir StudentInnen (so die damals korrekte Schreibung) hatten unsere Zweifel.

Mittwoch, 3. April 2024

Aliso (?)


Im Westen der nahe gelegenen Stadt Haltern am See lag einst ein römisches Militärlager, mit dem die Flussschifffahrt (zwei mal drei Konsonanten in einem Wort, wow!) auf dem Fluss Lippe gesichert werden sollte. Man geht davon aus, dass das Lager das zeitweise Hauptquartier von Lucius Quintilius Varus war, dessen Legionen im Jahr 9 n. Chr. im Teutoburger Wald, wie man lange annahm, von Germanen unter dem Kommando von Arminius vernichtet wurden. Ob es sich bei dem Halterner Lager um das bei Cassius Dio (Cass. Dio 54, 32, 4) und Tacitus (Tac. ann. 2, 7) erwähnte Lager Aliso handelt, konnte bislang noch nicht zweifelsfrei belegt werden.

Sonntag, 31. März 2024

Vermischtes und Zeugs (LXXXI)

 
Bei Verlautbarungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung frage ich mich inzwischen immer öfter, wieso der Verein sich nicht konsequenterweise umbenennt in Deutsche Spaßbremsenvereinigung. Jetzt sollen wir also nur noch ein Ei pro Woche verzehren. Soso. Aha. Jetzt kann man natürlich diskutieren über ethische Aspekte von Massentierhaltung. Angst vor Bevormundung habe ich übrigens nicht, denn die Empfehlungen der DGE sind ungefähr so bindend wie eine Sonntagspredigt. Was daran so miefelt, ist das dahinterliegende Denken, nur ein möglichst langes Leben sei auch ein gutes Leben und das wiederum sei nur mit Verzicht und Askese zu erreichen.

Freitag, 29. März 2024

Große Klappe


Vielleicht fing das Problem 2012 an. Da haben sie hier nämlich die A 40 drei Monate lang vollgesperrt. Für Nicht-Ruhris ist das vielleicht erklärungsbedürftig: Die A 40, früher B 1, danach eine Zeitlang A 440, führt von Duisburg nach Dortmund und zurück. Sie ist für alle, die mit dem Auto unterwegs sind, die Aorta des Ruhrpotts. Und wer sich hier auskennt, versucht sie zu umfahren. Wer aus nördlicher Richtung kommend, gen Essen und Duisburg will, fährt noch heute reflexartig in Bochum-Riemke ab, nimmt die Abkürzung durch die Stadt und spart sich so ein paar Kilometer dieser Horrorautobahn.